Der Dalai Lama sagt: „Manchmal ist Schweigen die beste Lösung.“
Das kann es in der Tat sein. Manchmal. Und manchmal auch nicht. Wenn es nicht die „beste Lösung“ ist, kann Schweigen langfristig sogar die schlechteste Lösung sein. Subjektiv gesehen natürlich, das ist mir klar. Aber es „macht“ etwas mit dem subjektiv Wahrnehmenden, was seine Beziehung zu dem Menschen, der schweigt, angeht. Willkürliches und sich wiederholendes Schweigen untergräbt sukzessive das Vertrauen, welches man in einen Menschen und die Beziehung zu ihm oder ihr hat. Schweigen im entspannten Zustand, mit einem also entspannten, gut regulierten Nervensystem, kann wunderbar erholsam sein, kann still sein, leise und weich, wie eine warme Decke, unter der man sich sicher und geborgen fühlt. Es schafft Verbundenheit zwischen zwei Menschen, wenn man auch entspannt zusammen schweigen kann, ist wichtig zur Erholung, zur Reflektion und zur Orientierung im Inneren und Äußeren. Schweigen als Bewältigungsstrategie auf Grund eines angespannten, überaktivierten Nervensystems kann jedoch für die Betroffenen bedrohlich sein. Es schafft Mauern statt Verbundenheit, ist laut statt leise, hart statt beschützend und weich, kalt und verletzend statt nährend. Dem Menschen, der Schweigen bei einem Konflikt als Bewältigungsstrategie anwendet, hilft es, sein überaktiviertes Nervensystem nach unten zu regulieren, zurück in einen als kontrollierbar wahrgenommenen Zustand im berühmten Toleranzfenster, welches jeder von uns in unterschiedlicher Grösse hat. Für den Menschen der angeschwiegen wird, hat es den gegenteiligen Effekt, es katapultiert sein Nervensystem aus dem Toleranzfenster hinaus und er hat seine eigenen Bewältigungsstrategien, um sein überaktiviertes Nervensystem zurück nach unten zu regulieren. Meistens sind diese nicht zielführender als das Schweigen seines Gegenübers. Man tut eben, was man kann. So ungesund und verletzend unsere Bewältigungsstrategien im Erwachsenenalter manchmal sind, so wichtig und schützend waren sie in unserer Kindheit. Früher haben sie massgeblich dazu beigetragen, dass wir unsere Beziehung zu den erwachsenen Menschen, von denen wir als Kinder abhängig waren, aufrechterhalten konnten, obwohl sie nicht für uns sorgen konnten, wie wir das gebraucht hätten, sondern im Gegenteil, vielleicht auch noch von uns verlangten, dass wir für sie sorgen. Wir dürfen unseren „Beschützern“ von damals also erstmal dankbar sein, dass sie uns bei den Konflikten von damals auf ihre Art und Weise beigestanden sind (sie haben so unser Überleben gesichert), und uns in diesem Bewusstsein dann behutsam daran machen, im Hier und Jetzt neue, hilfreichere Bewältigungsstrategien zu erlernen, mit denen wir unsere Verbundenheit und die Beziehung zu den Menschen, die wir lieben, aufrechterhalten können, statt sie zu gefährden. Denn genau das tun die Bewältigungsstrategien von damals im Heute. Sie helfen uns nicht mehr, eine bestimmte Beziehung aufrechtzuerhalten, sondern sie haben sich ins Gegenteil verkehrt, weil wir als Erwachsene nicht mehr in dem Masse von bestimmten Beziehungen abhängig sind, wie wir das als Kinder waren. Diese Bewältigungsstrategien gefährden jetzt also unsere Beziehungen, wenn wir uns das nicht bewusst machen und das ist sehr schade. Ob man Schweigen als angenehm oder als bedrohlich empfindet, hängt massgebend davon ab, wie lange es dauert und was der Auslöser davon ist. Wird es als Bewältigungsstrategie bei Konflikten angewendet, kann es bestrafend wirken, selbst dann, wenn das nicht die eigentliche Absicht hinter dem Schweigen ist. In erster Linie wird Schweigen zur eigenen Sicherheit angewendet. Schweigt man, so kann man nichts falsch machen. Schweigt man, so bietet man keine Angriffsfläche. Schweigt man, so nimmt man dem anderen jegliche Kontrolle zum weiteren Verlauf einer angespannten Situation, denn Schweigen ist auch Verweigerung. Man verweigert die Kommunikation und ohne Kommunikation zum Gegenüber wird die Situation zwar erst mal nicht schlimmer, aber sie wird eben auch nicht besser. Wie bei allem, ist das Mass massgebend. Nutzt man Schweigen willkürlich und immer wieder als Bewältigungsstrategie bei Konflikten, wirkt das auf das Gegenüber nicht nur bestrafend, löst Schuld und vielleicht sogar Scham aus, nein es untergräbt mit jedem Mal das Vertrauen in diese Beziehung und den Menschen etwas mehr. Wenn die Bereitschaft zum Reparieren in absehbarere Zeit nicht da ist, wenn jeglicher Versuch den Konflikt auf wertschätzende Art und Weise zu lösen abgeschmettert wird, dann vermittelt das die Botschaft: „Du bist es nicht wert, dass ich mich mit dir abgebe, dass ich mit dir spreche, dass ich die Energie und die Zeit aufbringen will, den Konflikt mit dir zu lösen, so dass wir unsere Verbundenheit trotz unserer Konflikte aufrechterhalten können. Ich schweige, wann und solange ich will und kontrolliere damit die Situation – auch wenn ich weiss, dass ich dich damit verletze. Denn „hättest du dich nicht dermassen danebenbenommen“, müsste ich auch nicht schweigen.“ Ein solches Schweigen hat etwas Zermürbendes, es verletzt und nimmt einem die Luft zum Atmen. Wie Nebel breitet es sich aus – feucht, kalt und alles vereinnahmend, bis man nichts mehr von der Liebe und dem Vertrauen des Gegenübers erkennen kann, auch wenn man weiss, dass sie da sind. Doch der Mensch, dem man sich verbunden fühlt, zieht sich zurück in diesen Nebel, zu dem man selbst keinen Zugang hat, der sich aber doch über einen legt, wie ein nasses, kaltes Tuch. Wenn dieser Nebel sich immer wieder ohne jede Vorwarnung festsetzt und man nie weiss, wann er sich wieder lichten wird, verliert man darin irgendwann die Orientierung. Man kann sich nicht darauf verlassen, dass der Mensch, den man an den Nebel verloren hat, zurückkommt, einen an der Hand nimmt, und man zusammen höher steigt – dahin wo die Sonne scheint, über dem Nebelmeer. Man versucht alles, um ihn oder sie doch noch zu erreichen, damit man den Weg an die Sonne und nach Hause gemeinsam unter die Füsse nehmen kann. Man stolpert blindlings durch die Landschaft, ruft erst und schreit dann nach ihnen, doch es bleibt still. Man will nicht, aber man weiss, dass man sich, so müde und erschöpft wie man ist, auf den Weg machen muss bevor es dunkel wird, wenn man selbst den Weg aus dem Nebel noch finden will. Unendlich schwer fühlt sich das Herz an, die Beine wie Beton, wenn wir dann alleine den Berg hinauf stapfen – jeder Schritt eine Qual. Endlich lichtet sich der Nebel etwas, gerade als die Sonne untergeht. Unten steht unser Lieblingsmensch an genau der Stelle, wo wir glaubten, ihn oder sie verloren zu haben. Sie standen direkt neben uns. Und haben geschwiegen. Ich setze mich auf einen Stein und weine.
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Wie oft tun wir etwas nicht, aus Angst einen Fehler zu machen. Das gilt ganz besonders für Menschen, die früh traumatisiert wurden. Wie viel Schönes und Möglichkeiten um korrigierende Erfahrungen zu machen, verpassen wir dadurch. Das ist schade. Mit der Zeit trauen wir uns immer weniger zu. Ich kenne das von meiner eigenen Geschichte mehr als genug.
Zu meiner schrittweisen Genesung von abertausend Ängsten, Panikattacken und einem generellen Gefühl von Unfähigkeit hat Wandern sehr viel beigetragen. Immer wieder staune ich, was ich von den Bergen lernen kann. Heute zum Beispiel war schlechtes Wetter angesagt. Was tut man mit der schon gekauften Tageskarte? Geht man trotzdem auf die geplante Wanderung oder doch lieber zum Shoppen nach Deutschland? Geplant war, noch einmal vor dem Schnee von der Ryffelalp die gut 900 Höhenmeter auf den 3‘135 Meter hohen Gornergrat zu laufen. Eine tolle Wanderung bei schönem Wetter. Aber bei Regen? Ich beschloss, dem Wetterbericht zu vertrauen (so schlecht sollte es gar nicht sein), weil meine Priorität die Bewegung war, nicht die Aussicht. Der Wetterbericht war falsch. Ganz falsch. Der Schnee war bereits da. Und zwar nicht wenig. Letzte Woche sah das noch ganz anders aus. Heute sah man so gut wie gar nichts. Dichter Nebel empfing mich und es schneite. Schon bei der Ryffelalp lagen fast 10 cm Schnee. Was sollte ich tun? Umkehren? Oder einfach mit der Bahn hochfahren? War der Mark Twain Weg, den ich gehen wollte, überhaupt passierbar? Offen sollte er sein, das zumindest hatte ich am Abend zuvor überprüft. Aber bei dem Schnee? Doch jetzt war ich hier – also probieren. Natürlich war ich die Einzige, die an der Station ausstieg. Ein bisschen schüttelte ich den Kopf über mich selbst. Aber was hatte ich zu verlieren? Ich konnte bis zum Restaurant gehen und schauen, wie es da aussah und dann zurück zur Bahn gehen, wenn es nicht ging. Mein früheres Ich ging, schaute, und sagte Nein. Definitiv. Es war dumm, herzukommen. Woher wollte ich wissen, ob der recht lange Steilhang, den man beim Mark Twain Weg hochgehen muss, passierbar war? Wie sollte ich bei dem Schnee den Weg finden? Wenn ich in der Hälfte nicht mehr weiterkäme, würde ich zurückmüssen und das wäre gar nicht gut bei meinen Knien und dem rutschigen Untergrund. Die Strasse hoch? Da müsste ich bloss eine Stunde laufen bis zur nächsten Bahnstation. Wenn ich den anderen Weg nahm mindestens zwei. Ach, ich versuch’s, sagte mein jetziges Ich. Der Weg ist nicht wirklich gefährlich, nur aufpassen muss man bei dem Schnee halt mehr als sonst. Vor zwei Jahren hätte ich mir das nie und nimmer zugetraut. Ich kenne den Weg, und wusste, dass ich da niemanden antreffen würde bei dem Wetter. Ich wäre also auf mich alleine gestellt. War das wirklich eine gute Idee? Ich würde es herausfinden. Schnell wurde klar, dass es nicht einfach war, in der verschneiten Landschaft den Weg zu finden. Aber es schien, dass eine Gämse oder ein Steinbock ihn auch kannte und ich folgte den Spuren. Zusätzlich verliess ich mich auf meine Erinnerung. Erstaunlicherweise klappte das. Man sah keine 50 Meter. Immer wieder blieb ich stehen, um mich zu orientieren. Wieder einmal staunte ich, dass man in den Bergen den Weg so oft nicht voraussehen kann, bis man einen Schritt vor der nächsten Biegung, dem nächsten Tritt, dem nächstmöglichen Schritt steht. Was 50 Meter weiter unten noch unpassierbar erschien, geht dann doch weiter. Doch heute war das Vertrauen darauf besonders schwer. Alles war weiss. Und doch wusste ich plötzlich ganz genau, wo ich war. Hier haben mir letztes Jahr zwei Leute Platz gemacht. Da war ich jemandem begegnet mit einem Hund. Dort hatte ich die ersten Preiselbeeren gefunden. Ich sah die Landschaft unter dem Schnee, weil ich sie letztes Jahr so intensiv wahrgenommen hatte, dass sie sich mir eingeprägt hatte. Nicht jeder einzelne Stein natürlich, aber doch vieles davon. Die sehr positive Erfahrung hatte mich geprägt und jetzt konnte ich auf diese Erfahrung zurückgreifen. Die positiven Gefühle und das gespeicherte Wissen um diese Landschaft in meinem Inneren, trugen sehr dazu bei, dass ich auch heute bei erschwerten Bedingungen den Mut fand, und mir zutraute, den Weg weiterzugehen. Es ist wichtig, dass wenn wir traumatische Erfahrungen gemacht haben, wir später korrigierende Erfahrungen machen können, um so die Verletzungen von damals Schritt für Schritt zu heilen und nicht in unerwarteten Whiteouts die Orientierung verlieren. Früher habe ich mich die meiste Zeit gefühlt wie heute in diesem „Whiteout“. Und noch heute fühle ich mich in bestimmten Situationen so. Heillos überfordert, allein gelassen und unsicher was zu tun ist. Oft ist es noch nicht mal ein richtiger Whiteout, wenn wir die Orientierung verlieren. Wie auch heute am Gornergrat kein richtiger Whiteout gewesen war. Nur ein bisschen viel Schnee und sehr dichter Nebel. Weswegen die Orientierung schwieriger war als sonst und ich vorsichtiger vorgehen musste, um nicht abzurutschen oder versehentlich in ein Loch unter dem Schnee tu treten. Wenn man seine Sinne beisammenhat, kann man sich an einem Tag und auf einem Weg wie heute durchaus orientieren. Doch wenn Du auch du von Traumafolgen betroffen bist, dann weißt Du, dass es Trigger gibt, die so stark auf uns einwirken, dass „normales“ Denken in dem Moment unmöglich wird. Manchmal ist die Überforderung tatsächlich so gross, dass wir uns in einem vollständigen Whiteout befinden. Oft jedoch handelt es sich lediglich um eine herausfordernde Situation. Weil wir jedoch noch nicht genug korrigierende Erfahrungen gemacht haben, in denen wir lernen konnten, dass wir durchaus über die für die Situation benötigten Fähigkeiten und Ressourcen verfügen, es Menschen gibt, die uns tatsächlich in unseren Herausforderungen unterstützend zur Seite stehen und, dass wir, wenn wir es nur schaffen, einen Moment lang inne zu halten und kurz einen Faktencheck machen, wir mit dem Mini-Whiteout eigentlich ganz gut umgehen könnten. Wenn wir aber noch nicht genügend korrigierende Erfahrungen machen konnten und uns unserer Selbstwirksamkeit und unserer Fähigkeiten nicht bewusst sind, dann fallen wir in unsere alten Bewältigungsmuster, die leider selten das gewünschte Resultat bringen und uns unsere Sicht auf die Welt, andere Menschen und über unsere angebliche Unfähigkeit bestätigen. Und leider, weil unsere neuronalen Netzwerke funktionieren, wie sie funktionieren, gibt uns diese Bestätigung, dass wir „Rechthaben“ nicht nur ein negatives Gefühl. Es gibt uns auch ein Gefühl von der uns bekannten „Sicherheit“. Nur wenn wir uns auf uns selbst verlassen, kommt es gut. Doch für viele bedeutet es erstmal, den Whiteout zu ignorieren und die eigenen Ängste zu verleugnen. Vorwärts gehen soll man, so haben wir das gelernt, obwohl uns das eigentlich komplett überfordert in einem Moment, wo uns etwas so stark triggert. Trotzdem tun wir es, solange wir die nötige Kraft und Energie dafür aufbringen, weil wir es im Alltag oft nicht schaffen, stehen zu bleiben und inne zu halten, wie ich das in den Bergen kann. Wir haben gelernt, dass „wir uns einfach zusammenreissen müssen“, dann wird es schon gehen. Eine Weile geht das gut. Irgendwann nicht mehr. Weil uns der innere Kompass für die entsprechende Situation fehlt. Wir können uns in dem Whiteout in unserem Inneren nicht schnell genug orientieren. Egal ob es ein richtiges oder „nur“ ein Mini-Whiteout ist. Irgendwann bleiben wir stecken. Trauen uns weder vor noch zurück. Und wenn wir dabei keine Hilfe bekommen, entweder von den in der Situation involvierten Personen oder von einem liebevollen Teil von uns selbst, dann kommen entweder die Tränen oder wir schalten komplett ab und gehen in den Rückzug. So oder so sind wir für andere dann nicht mehr erreichbar. Alle gut gemeinten Ratschläge fruchten nicht. Überforderung überflutet uns und drückt uns die Luft ab. Wir verachten uns dafür, dass wir es nicht besser können und/oder lassen unseren Frust an anderen aus, weil wir eigentlich nur jemanden möchten, der uns versteht, der uns tröstet, der uns sagt, dass wir, so wie wir sind, mit all unseren Bedürfnissen und Schwächen, in Ordnung sind. Wenn du wie ich bist, dann wünscht du dir vielleicht auch jemanden, der dich in den Arm nimmt, der mit dir eine Tasse Tee oder auch mal einen Schnaps trinkt und dir sagt, dass du das schon hinkriegst. Aber das ist sehr oft nicht möglich. Sei es aus Gründen, weil das Verhältnis, das wir zu einem anderen Menschen haben es verbietet, oder aus Gründen, dass der andere genau das Gegenteil braucht. Nämlich Distanz. Die Folge ist in jedem Fall kompletter Shutdown und ein Sich-Abwenden. In erster Linie von sich selbst und in der Folge davon auch von jedem anderen Menschen, der versucht, einen zu erreichen. Man will dann nur noch, dass die betroffene Person einem entweder die Hand reicht, um auf den verdammten "Berg" zu kommen und, wenn das, aus welchen Gründen auch immer, nicht möglich ist, weg von der Situation, runter vom „Berg“, dahin, wo man glaubt, dass es sicher ist. Irgendwo an einen Ort, wo man „alles unter Kontrolle“ hat, wo man diese scheissunguten Gefühle, die Überforderung und die Ohnmacht nicht mehr fühlen muss. Dahin, wo uns niemand weh tun kann. Wir flüchten uns in die totale Verweigerung. Wir dröhnen uns zu und/oder kapseln uns ab in die scheinbar so sichere, rettende Scheinautonomie, wohlwissend, dass wir uns dort in kürzester Zeit sehr einsam fühlen werden und diese angebliche Autonomie uns auf Dauer auch nicht die Sicherheit und Geborgenheit gibt, die wir eigentlich suchen. Sie gibt uns auch nicht die Kontrolle über unser Leben, von der wir denken, dass sie uns Sicherheit gibt. Am Ende des Tages finden wir Sicherheit nur in stabilen Beziehungen. Zu uns selbst und zu den Menschen, die uns wichtig sind. Damit wir das Vertrauen in die Beziehungen zu anderen aber lernen, und diese Beziehungen langfristig gelingen können, müssen wir zuallererst Vertrauen in die Beziehung zu uns selbst aufbauen. Wir dürfen lernen, dass wir in Ordnung sind, auch wenn wir nicht immer so funktionieren, wie wir das von uns erwarten. Wir dürfen lernen, dass wir auch Sicherheit finden können, in uns selbst, indem wir lernen, dass wir sehr viele Ressourcen, Fähigkeiten und Talente haben, die es uns sehr wohl ermöglichen mit den Herausforderungen umzugehen, die uns das Leben so oft vor die Füsse wirft. Und, dass das nicht passiert, weil wir „schlechte“ Menschen sind, sondern, weil das Leben einfach scheissschwierig ist. Wir dürfen lernen, dass es auch Sicherheit gibt in Beziehungen zu anderen Menschen, ohne, dass wir die ganze Zeit unter Stress und Strom stehen. Es ist in Ordnung, wenn es kein Drama gibt. Wenn wir verbindlich sind. Und uns auf die Verbindlichkeit von anderen Menschen verlassen. Und wenn wir doch einmal wieder die Erfahrung machen, dass uns andere Menschen nicht verstehen, uns schlecht behandeln, oder einfach nicht anders können, als uns so zu begegnen, wie ihr Bewusstseinszustand das im Moment zulässt, dann wissen wir, dass wir in uns die Landschaft tragen, die wir brauchen, um uns zu orientieren, auch wenn es draussen gerade Winter ist und wir die Wege und die Preiselbeeren, die wir eigentlich erwartet haben, nicht sehen können. Dafür dürfen wir erleben, dass wir auch alleine den Berg hochkommen. Ich wurde immer mal wieder mit meinen Ängsten konfrontiert heute, obwohl ich wusste, dass der Weg eigentlich sicher ist, trotz Schnee und schlechter Sicht. Zwar brauchte ich nicht länger als die angesagten drei Stunden, um mein Ziel zu erreichen, aber drei Stunden in dieser weissen Landschaft, wo es nichts gibt, an dem man sich visuell festhalten kann, können ganz schön lang sein. Und dann, plötzlich, stand ein riesiger Steinbock vor mir. Den hätte ich in der Bahn ganz sicher nicht angetroffen. Wie lange habe ich mir gewünscht, einmal so einen aus der Nähe zu sehen. Und heute, wo ich überhaupt nicht damit gerechnet habe, stand er plötzlich da. Einfach so. Nach zwei Stunden im Schnee musste ich mich wieder entscheiden. Bahn oder bis ganz nach oben gehen. Mittlerweile hatte es verdammt viel Schnee, ich hatte bloss meine Wanderschuhe und wo war der Weg? Aber ich sah eine Spur. Und die ging, das wusste ich, bis nach oben, da es dazwischen keine Möglichkeit gab, um auf eine Bahn umzusteigen. Jemand war den Spuren nach vom Gornergrat runter zum Ryffelsee gelaufen. Weiss der Teufel warum. Ich vermute, dass es jemand einheimisches war, der dort arbeitet. Und aus dem Grund diese Spur gelegt hat, weil er wusste, dass es unvorsichtige Touristen und Whiteout-Ausprobierer wie mich gibt, die trotz dem Wetter versuchen würden, zu Fuss zu gehen. Wie jede meiner Touren, hat auch diese mich wieder etwas über mich und das Leben im Allgemeinen gelehrt. Und ich bin unglaublich dankbar, dass sie überhaupt möglich war. Vor zwei Monaten konnte ich wegen meiner kaputten Knie nämlich kaum laufen. Neue Gelenke oder zumindest Kortison-Spritzen wurden empfohlen. Aber ich mag kein Kortison und ich mag meine Gelenke. Also achtsam damit umgehen, Geduld haben und – korrigierende Erfahrungen machen. Unser Körper – samt unserem Gehirn, ist ein Wunderwerk. Wir können zeitlebens Neues lernen und neue neuronale Netzwerke anlegen. Gebt nicht auf. Habt stattdessen Vertrauen in eure Selbstheilungskräfte und in euch selbst. Wir dürfen uns auch in positiven, heilenden und liebevollen Situationen sicher fühlen. Wenn du mehr über die Dynamiken von Traumafolgen wissen willst, oder dieser Blog dich sonst angesprochen hat, schreib mir. Ich freue mich über jede Nachricht. |
AuthorJoelle R. Schwemmer ArchivesCategories |